Deine Mutterwunde
Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, als Mann und Frau schuf er ihn.1 Gott ist ein Vater, doch er hat auch eine mütterliche Seite. Die „weiblichen“ Eigenschaften Gottes sind genauso von essenzieller Bedeutung, wie jene Eigenschaften, die er als himmlischer Vater ausstrahlt. So wie unser irdisches Vaterbild einen Einfluss auf unser Gottesbild hat, so ist das auch in Bezug auf die Prägung unserer Mutter.
Der Schöpfer des Universums schuf zwei Geschlechter nach seinem eigenen Bild, die zusammen Träger der Herrlichkeit Gottes sein dürfen. Durch den Sündenfall verlor sowohl der Mann als auch die Frau, die Gott gegebene Identität und auch das Leben, das von der Fülle Gottes geprägt ist. Die Rollen der beiden geraten in Schieflage, was sich bis heute in unsere Gesellschaft durchgezogen hat. Die Frage nach der eigenen Identität und die Sehnsucht nach Liebe ist größer denn je.
Gerade deshalb dürfen wir ein Blick auf unsere Herkunftsfamilie werfen und auf die Prägung, die wir genossen haben. Es ist nicht das Ziel, einen Schuldigen für unser Leben oder unser Verhalten zu finden, sondern den Ursprung unseres Lebensstils und unserer Überzeugungen zu erkennen und zu verstehen, sodass wir Schritte in eine neue und heilsame Richtung gehen können. Das gilt nicht nur für die Vaterwunde, sondern auch für die Mutterwunde, denn auch deine Mutter hat mir ihrem eigenen Minderwert und Liebesmangel durch den Sündenfall zu kämpfen.
Weil jeder Mann und jede Frau die Herrlichkeit Gottes verfehlt, und damit auch alle Eltern der Welt, erfuhr jeder von uns eine Prägung, die Fehlprägungen beinhaltet. Mit anderen Worten, Vater und Mutter verletzen und enttäuschen ihre eigenen Kinder. Ich möchte keinesfalls die Erziehung unserer bemühten Eltern abwerten. Das ist ihnen gegenüber nicht fair und würde sogar dem Gebot Gottes widersprechen,2 weil er möchte, dass wir unsere Eltern lieben, respektieren, schätzen und ehren. Doch weil wir einer gewissen Fehlprägung unterlagen und unsere Eltern unsere Selbstwahrnehmung und unser Bild von Gott geprägt haben, benötigen wir eine Umprägung.
Die Kinder der Eltern legen häufig ähnliche Verhaltensmuster an den Tag. Wie der Vater, so der Sohn, sagt man so schön. Doch auch wenn sich die Kinder manchmal von der Persönlichkeit der Eltern unterscheiden, so gibt es gewisse Charakterstrukturen und Verhaltensmuster, die auf das Elternhaus zurückzuführen sind.
Wir leben in einer Gesellschaft, die nicht nur ein hohes Suchtpotenzial aufweist, sondern die dieses Potenzial auch immer mehr ausreizt. Es gibt keine Epoche der Menschheit, in der die Menschen so viele Verhaltensmuster mit ungesunden Abhängigkeiten an den Tag legen, wie sie es heute tun. Unsere Konsum- und Leistungsgesellschaft fördert diesen Lebensstil enorm. Die Wirtschaft ist darauf angelegt, dass wir konsumieren. Doch manchmal steckt im Konsum nicht das erfüllte Leben, von dem Gott gesprochen hat. Gott schuf die Nahrung, den Sex und den kreativen Geist des Menschen, der für Unterhaltung sorgen und das Leben auf vielfältige Weise gestalten darf und er nannte das sehr gut.3 Aber leider missbraucht der Mensch sogar die Dinge, die an sich sehr gut sind, sodass er nicht mehr in der Freiheit und in der Fülle lebt, für die er geschaffen wurde.

Wir kompensieren unseren Schmerz und unsere innere Leere mit eben den Dingen, die uns eigentlich zum Genuss und zur Freude gegeben sind. Wir essen bis hin zur Völlerei und leiden unter Fettleibigkeit. Wir konsumieren pornografische Inhalte, sodass das Gegenüber erniedrigt wird als ein Objekt der Begierde, anstatt seine Sexualität mit dem Menschen auszuleben, den man von Herzen liebt. Wir hören Musik, um uns von unseren eigenen Gedanken und Sorgen abzulenken, anstatt uns bewusst auf die Töne, Klänge und auf den Gesang einzulassen. Wir lassen uns unterhalten mit Netflix und Co, aber nicht, weil der Film oder die Serie uns faszinieren und uns Freude bereiten, sondern weil wir unter Einsamkeit leiden oder nachts nicht einschlafen können. Wir wollen erfolgreich sein und besondere Leistungen erbringen, aber nicht um des Erfolges willen oder um die Gesellschaft positiv zu prägen, sondern um Aufmerksamkeit zu bekommen und etwas wert zu sein.
Ich bin mir sicher, dass du das ein oder andere auch aus deinem Elternhaus und von dir selbst kennst. Vielleicht hast du nicht dieselben „Überlebensstrategien“ wie deine Eltern, aber du hast deine eigenen für dich gefunden. Was steckt nun hinter all dem? Was ist die Wurzel unseres Suchtverhaltens und unseres Minderwerts? Es ist unser Mangel an Liebe, Zuneigung und Geborgenheit.
Ich kompensierte meinen Liebesmangel jahrelang mit Videospielen, Leistung, Sport, Drogen, Pornografie und auch mit Essen. Der Konsum von sozialen Medien gehörte auch zum großen Teil dazu. Und weil es mir wichtig ist in allem, was ich tue, authentisch zu sein, möchte ich, dass du weißt, dass ich auch immer wieder in alte Muster und „Überlebensstrategien“ zurückfalle. Doch ich möchte dich ermutigen, Gott an diesen Schmerz und an deine innere Leere hineinzulassen. Denn je mehr ich lerne mich von seiner Liebe zu mir prägen und verändern zu lassen, desto mehr kann ich mein Leben genießen, echten Frieden, echte Freude und echte Freiheit erleben.4
Weil ich schon Freiheit erleben durfte, spornt es mich immer wieder an, jene Dinge Gott anzuvertrauen und mit ihm zu bearbeiten, womit ich heute noch zu kämpfen habe. Wen der Sohn frei macht, der ist wirklich frei!5Gott möchte uns in ein Leben führen, das uns wieder befähigt, Liebe zu empfangen, zu geben und die Dinge, die uns gegeben und anvertraut wurden, verantwortungsvoll und lebensbejahend genießen zu dürfen.
Die Wurzel des Suchtverhaltens von Menschen ist der Mangel an Liebe. Es ist häufig ein Mangel an Liebe für sich selbst und ein Mangel an Gemeinschaft, Intimität und Verbundenheit mit Gott und mit anderen. Unsere Beziehungsfähigkeit gründet jedoch immer in unserer Fähigkeit, Gottes Liebe zu empfangen und uns von ihm umprägen zu lassen. Jedem von uns ist es möglich Gottes Liebe lebensverändernd zu erleben, weil Gott sich vor niemanden versteckt und weil er auch niemanden vernachlässigt! Gott liebt jeden Menschen. Bei ihm gibt es kein Ansehen der Person.6 Für ihn zählt schon ein ehrliches Gebet und ein offenes Herz.7
Wir müssen keine Leistung erbringen, um seine Liebe zu empfangen. Es hat nichts damit zu tun, wie viel wir die Bibel lesen, wie viel Zeit wir zum Beten nehmen oder wie oft wir in der Gemeinde sind. In meinem Suchtverhalten habe ich oft ein intensiveres Bibelstudium verschrieben bekommen oder ein spezielles Gebet, mit dem ich es jetzt richtig ernst meinen kann. Offen gestanden, hat das nichts gebracht. Es setzte mich viel mehr unter Druck und als die Veränderung ausblieb, nach der ich mich sehnte, fühlte ich mich minderwertig und von Gott alleingelassen. In Wahrheit hatte ich nur keine Ahnung, was es bedeutet von Gott geborgen und getragen zu werden!
Hinter jeder Sucht und hinter jeder ungesunden Abhängigkeit steckt ein Schmerz oder eine innere Zerrissenheit, die wir versuchen, mit ihr zu betäuben. Wenn wir uns bewusst den Dingen entziehen, mit denen wir uns betäuben, fühlen wir uns oft leer und einsam, sodass wir lieber wieder auf die Dinge zurückgreifen, wodurch wir diese Gefühle unterdrücken können. Unser Handy bietet uns hierfür einen raschen Weg an, weil wir innerhalb von Sekunden immer wieder Impulse bekommen, wodurch in unserem Gehirn Dopamin ausgeschüttet wird.
Gott hat uns Menschen so geschaffen. Dopamin ist nicht das Problem, sondern unsere Art, wie wir es in unserem Leben bereitstellen. Zucker und Dopamin machen abhängiger als manch eine harte und illegale Droge. Aber weil wir alle darunter leiden, ist das nicht so Scham behaftet, als wenn wir über andere Abhängigkeiten sprechen. Dennoch ist es wertvoll, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Die Wahrheit macht uns nie schlechter, als wir wirklich sind. Aber weil uns die nötige Selbstliebe oft fehlt, erlauben wir uns oft nicht der Wahrheit ins Auge zu schauen.
Die Wahrheit ist, dass wir nicht wissen, wo wir wirklich auftanken können. Wo kann der Durst unserer Seele gestillt werden?8 Wo können wir Geborgenheit und emotionale Sicherheit erfahren, wenn die geliebten Menschen in unserem Umfeld selbst einen Liebesmangel haben und an die Grenzen kommen, unseren Liebesmangel zu füllen? Die Antwort ist bei Jesus Christus!

In ihm dürfen wir erleben, was es bedeutet, unter dem Schutz des Höchsten zu wohnen.9 Es ist eine geistlich erlebbare Wahrheit, dass uns durch Gottes Geist ermöglicht wird inmitten von Unsicherheit und Gefahr einen Frieden zu haben, der den Verstand übersteigt.10 Darüber sprachen nicht nur die damaligen Apostel, sondern auch jene Christen, die heutzutage um seines Namens willen verfolgt werden.
Wir dürfen erleben, was es bedeutet von Gott geborgen und getragen zu werden, denn es entspricht dem tiefsten Wunsch seines Herzens uns in jeder Sekunde zu begleiten und für uns da zu sein.11 Gott ist ein leidenschaftlicher Gott, der uns versteht und der mit uns mitfühlt. Jesus Christus weinte vor den Augen der Maria, als sie ihm mit den Tränen in den Augen berichtete, dass Lazarus gestorben war. Jesus wusste das. Er ging schließlich zu ihr, um Lazarus wieder von den Toten aufzuerwecken. Obwohl Jesus wusste, dass Lazarus durch Gottes Herrlichkeit gleich wieder leben wird, weinte er mit Maria.12 Selbst Gott, der allwissend ist, fühlt dennoch in den Momenten des Leids seiner Kinder mit und möchte sie trösten und für sie da sein!
Es spielt keine Rolle, wo wir gerade in unserem Leben und in unserem Prozess der Heiligung und der Heilung stehen, Gott möchte uns mit seiner vollkommenen Liebe begegnen. Gott ist den Gläubigen als Schöpfer der Welt, ein himmlischer Vater, aber sein Heiliger Geist verfügt über die Eigenschaften einer fürsorglichen und umarmenden Mutter, die ihren Kindern Geborgenheit, Trost13 und Sicherheit schenkt.14
Ich möchte dich ermutigen, ihm auch die Stellen deines Herzens anzuvertrauen, in denen du eine Leere fühlst und mit Einsamkeit, Schmerz und mit Ängsten konfrontiert bist. Gott setzt dich nicht unter Druck! Im Gegenteil. Gott möchte dich erquicken und dir ein sanftes Joch und eine leichte Last geben, damit du aufatmen kannst.15 Berge dich in deinem Gott, denn er ist dein sicherer Hafen, dein Fels und deine Burg!16 Dein Gott hat Freude daran, dir das zu geben, was du benötigst, denn er ist dir ganzheitlich zugeneigt!17
Intimität, Verbundenheit und Geborgenheit sind Grundbedürfnisse unseres Daseins. Gott möchte deiner inneren Leere mit seinem Geist begegnen, denn seine Liebe sorgt für dich und tröstet dich, wie eine Mutter sich um ihr Kind sorgt. |
Biblische Verweise zum Nachschlagen und zum Meditieren:
1 Matthäus 19:3-6
2 5.Mose 5:16
3 1.Mose 1:31
4 Galater 5:22-23
5 Johannes 8:36
6 Römer 2:11
7 Jeremia 29:13-14
8 Psalm 131:2
9 Matthäus 23:37
10 Philipper 4:7
11 Jesaja 46:3-4
12 Johannes 11:32-44
13 Jesaja 66:13
14 Jesaja 49:15-16
15 Matthäus 11:28-30
16 Psalm 18:3
17 Psalm 145:16